Raša als eine Stadt, die im Zeitraum von 1936 bis 1937 auf dem Gelände des trockengelegten Krapan-Sees entstand, ist ein typisches Beispiel einer Planstadt, beginnend vom Urbanismus, über die Architektur bis hin zur Gestaltung von Innenräumen der einzelnen architektonischen Einheiten. Gleichzeitig ist Raša auch ein Beispiel für die vollständige urbanistische Anpassung an die Konfiguration der Umgebung, in der es entsteht, sowie an die lokale Bautraditionen. Im Zeitalter des faschistischen Italiens, beginnend ab dem Jahr 1928 wurde ein großes Bauprogramm der neuen Stadtgründungen und ländlichen Siedlungen gestartet, bekannt unter dem Namen città di fondazione, wodurch das herrschende Regime und Mussolini die Macht und den Aufschwung des neuen Regimes bezeugen wollten. Es muss aber betont werden, dass diese Städte in erster Linie nicht als Produkt der faschistischen Ideologie oder als Ausdruck der Wünsche Mussolinis entstanden sind, sondern vor allem wegen verstärkten Bedarfs der italienischen Wirtschaft. Im Rahmen dieses Programms wurde der Bau von 12 ganz neuen Städten geplant (Mussolinia/Arborea, 1928, Littoria/Latina, 1932, Sabaudia, 1934, Pontinia, 1935, Fertilia, 1936, Guidonia, Aprilia, Arsia/Raša, 1937, Torviscosa, Carbonia, 1938, Pomezia, 1939, Pozzo Littorio d’Arsia/Piedalbona/Podlabin, 1942) Carbonia, unter denen einige speziell zum Zweck der Kohleförderung errichtet wurden. Zuerst wurde Raša (Arsia 1936 – 1937-1940) errichtet, danach Carbonia auf der Insel Sardinien (1937– 193.) und Podlabin (Pozzo Littorio d’Arsia, 1938 – 1942) in Istrien.
Rein urbanistisch-architektonisch gesehen, wurden alle Siedlungen nach den damals höchsten Standards der rationalistischen Architektur entworfen. Der Hauptgrund für die Errichtung von Raša war eine sehr starke Expansion des Bergwerks mit ständigem Förderungsanstieg, gefolgt von einer rasanten Erhöhung der Beschäftigtenzahl. Der Wirtschaftsboom geht auf eine Initiative von Guido Segre zurück, der zusammen mit der Verwaltung begriffen hat, dass zur Unterkunft von Arbeitern neue Wohngebäude errichtet werden müssen. Folglich ist bei ihnen die Idee gereift, eine neue Siedlung zu errichten. Segre ist Jude und mit der Planung der neuen Siedlung hat er Gustavo Pulitzer Finali beauftragt, der ebenso jüdische Wurzeln hat. Gustavo Pulitzer Finali wird am 17. Oktober 1887 in Triest geboren, als Sohn von Geze Pulitzer, jüdischer Herkunft, und Mutter Karolina Finaly, ungarischer Herkunft. Von 1893 bis 1907 besucht er die Grund- und Mittelschule in Triest, wonach er von 1908 bis 1911 am Polytechnikum in München bei Professor Theodor Fischer Architektur studiert. Nach dem Abschluss des dreijährigen Studiums reist er drei Jahre lang durch Europa. Um der Mobilisation zu entkommen, fährt er im Jahr 1914 zu seinem Bruder nach Sao Paolo, wo er sich bis 1919 aufhält und seine ersten architektonischen Werke schafft. Im Jahr 1920 kehrt er nach Triest zurück, wo er zusammen mit dem Architekten Cease das Inneneinrichtung-Studio „Stuard“ gründet. Fünf Jahre danach bekommt er von der Schiffseignerfamilie Cosulich den ersten Auftrag zur Innenausstattung des Schiffes „Saudia“. Von 1925 bis 1934 beschäftigt er sich mit der Innenausstattung der meisten in Triest oder Monfalcone aufgebauten Schiffe, sowie anderer Schiffe im Eigentum der nationalen oder ausländischen Schiffsunternehmen. Raša wurde unter der Aufsicht des Triester Istituto autonomo per le case popolari dell’Italia gebaut und es war für drei Tausend Einwohner vorgesehen, mit der Tendenz zum Anstieg der Einwohnerzahl in den nächsten Ausbauphasen. Damit man überhaupt mit den eigentlichen Bauarbeiten anfangen konnte, war es wegen angeschwemmten Landes notwendig, die Meliorationsarbeiten durchzuführen. Raša wurde am 4.11.1937 vom Regierungsdelegierten, dem staatlichen Untersekretär Horst Venturi, in Anwesenheit des königlichen Gesandten Herzogs von Spoleto, offiziell eingeweiht. Neben Wohneinheiten wurden auch der Bergbau-Industriekomplex, öffentliche Gebäude, Hotel, Postamt, Schule, Kirche, Kindergarten, Krankenhaus, Kino, Theatersaal, Telefonzentralle, öffentliche Beleuchtung, Stadtheizwerk errichtet… Über den impressiven Bau sprechen folgende Daten: es wurden insgesamt 70.000 m3 Boden ausgehoben, 22.000 Quadratmeter Straßen und Wege angelegt, 35.000 m3 Mauer errichtet, 15.000 m3 Verputz angeworfen, 50.000 m2 Trennwände aus Ziegel gebaut und 80.000 m3 Stein teilweise zu Kies gebrochen. Es wurden etwa 380.000 Tageslöhne realisiert.